Das alte Schichtarbeiterhaus der Kupferhütte ist seit 1612 als Hüttenschänke bekannt. Die Uhr am Giebel trägt am Zifferblatt die Jahreszahl 1614. Schon in damaliger Zeit soll das Gebäude zwei Glocken getragen haben. Die kleine Schlagglocke läutete vom Uhrwerk gesteuert den Arbeitern zur Schicht, die große Glocke läutete bei Feuersbrünsten.
Die jetzt noch vorhandene Bronzeglocke hängt in einem schmuckvollen Glockentürmchen auf dem First des Hauses nahe dem Giebel direkt über der Uhr. Dieses Glockentürmchen zeigt sich in allen sichtbaren Teilen betriebstypisch aus Kupferblech.
Neben reicher Zier mit Ornamenten am Glockenhals und dem unteren Teil, dem Walm, zeigt die Glocke am Avers einen Psalmspruch:
„Lukas 150.6 – Alles was Odem hat lobet den Herrn, Halleluja“
Am Revers findet sich der Name des Glockengießers, der Ort des Gusses und das Gussjahr:
„Gegossen von G. A. Jauck zu Leipzig im Jahr 1893“
Nicht nur auf Kirchenglocken waren religiöse Sprüche die Regel, bis Mitte des 17. Jh. In lateinischen Texten und danach in deutschen Sprüchen. Auch Rathaus-, Schul- und Häuerglocken wurden mit religiösen Sprüchen geziert. So wie sich die Bergleute wegen der großen Gefahren im Schacht, mit frommen Sprüchen Hoffnung verliehen haben, traf das ähnlich auch für die Hüttenleute zu. Felix Mendelssohn-Bartoldy wählte in seiner Sinfonie-Kantate „Lobgesang“ den Psalmentext „Alles was Odem hat“ zum Mottothema. Die Uraufführung dieses Werkes fand am 25. Juli 1840 in der Leipziger Thomaskirche statt. Die Glocke hat einen unteren Durchmesser von etwa 60 cm und ein Gewicht von schätzungsweise 120 kg. Sie wurde ursprünglich von Hand geläutet. Heute ist sie mit dem Stundenschlag hörbar.
In der einstigen 1841 von Gustav Adolph Jauck in Leipzig gegründeten Glockengießerei übernahmen 1870 nach seinem Tod die Gebrüder Richard Gustav Adolph und Rudolf Georg Robert Jauck bis 1904 das Handwerk. Beim Beginn des I. Weltkrieges hatten die Glocken der Gebrüder Jauck noch keinen anerkannten historischen Wert. So fiel 1917 von den einigen hundert gegossenen Kirchenglocken der Gebrüder Jauck der größte Teil den Kriegsmetallabgaben zum Opfer. Nach weiteren Glockenopfern im II. Weltkrieg läuten in den Evangelischen Kirchgemeinden Sachsens heute nur noch 69 Jauck-Glocken.
Beispielsweise blieb von den sechs im Jahr 1900 gegossenen Jauck-Glocken der Garnisonskirche Dresden nur die Kleinste vorhanden. Auch die in zeitlicher Nähe zur Grünthaler gegossenen Glocken der Gebrüder Jauck Nr. 1 und 2 der Kirchen Mülsen, St. Jakob und Pobershau wurden 1917 eingeschmolzen. Welche gunstvollen Bedingungen, Verhältnisse oder Initiativen dazu beitrugen, die Glocke auf der Hüttenschänke während der beiden Weltkriege und der Folgezeit überdauern zu lassen, ist von mir an dieser Stelle nicht zu klären.
Volkmar Beger
Chemnitz – Adelsberg