Die Glocke der ehemaligen Schule in Kleinneuschönberg ist in diesem Jahr (2021) 170 Jahre alt
Bekanntlich wurde die Gemeinde Kleinneuschönberg anno 1659 nach dem Zuzug böhmischer Exulanten gegründet. Im Jahr 1800 hatten die ersten Kinder aus Kleineuschönberg die Gelegenheit, eine Schule – in
Niederneuschönberg – zu besuchen.
Zunächst wirkte dort ein Strumpfwirker in seiner Nebentätigkeit als Lehrer. Das Volksschulgesetz von 1835 führte in Sachsen die allgemeine Volksschule sowie die achtjährige Schulpflicht ab dem 6. Lebensjahr ein. Die Gemeinden wurden zum Unterhalt der Schulen verpflichtet. In der Folge dessen kam es in Kleinneuschönberg zum Bau des Schulgebäudes und dessen feierlicher Einweihung am 24. Oktober 1839. Ab 1850 machten sich bereits ein Erweiterungsbau notwendig.
Der Gemeinderat beschloss die Beschaffung einer Schulglocke. Der Dresdner Glockengießer Johann Gotthelf Große goss 1851 diese Bronzeglocke. Nach dessen überlieferter Gießerliste wiegt diese Glocke 120 Kilogramm und erhielt die Nummer 116. Die Glocke zeigt am Glockenhals unter der Umschrift mit dem Namen des Glockengießers und das Gussjahres als Zier einen umlaufenden Fries, der jeweils von zwei Engeln gehaltene Lyren über Blütenranken zeigt.
Im Avers (Vorderseite) der Glockenflanke wird gemahnt:
„(Für) Christen ertöhnt mein Laut. Denket an Gott und an Pflicht!“
Im Revers der Glocke (Rückseite) steht der Weihespruch:
„Dich schuf christlicher Sinn der Jugend hiesigen Thales.“
Auf die andernorts übliche namentliche Nennung der Stifter wurde verzichtet. Diese Glocke könnte 1851 mit dem Pferdegeschirr – als Beiladung zu den drei Glocken Nummer 119 bis 121 mit einem Gesamtgewicht von 1.175 Kilogramm für die Kirche in Neuhausen – in die Talgemeinde gelangt sein.
Ein Transport mit der Eisenbahn wäre ja erst 25 Jahre später nach der Eröffnung der Strecke Flöha – Olbernhau möglich gewesen.
Den Kirchenglocken in Neuhausen widerfuhr später ein unglückliches Schicksal. Diese Kirche brannte 1863 ab, wobei diese Glocken nach nur ein Dutzend Jahren zerstört wurden.
Der Glockengießer Johann Gotthelf Große lieferte von 1836 über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hinweg nahezu 400 Glocken für die evangelischen Kirchen in Sachsen. Hinzu kamen für unsere Erzgebirgsgegend noch eine Reihe von Schul- und möglicherweise auch Rathausglocken.
Von seinen Kirchenglocken sind heute nur noch 43 Stück vorhanden. Die große Mehrzahl waren den Kriegsmetallabgaben des I. und II. Weltkrieges zum Opfer gefallen. Die üblicherweise kleineren Schulglocken von Gemeinden ohne Kirchen entgingen fast immer diesem Schicksal.
Die Schulglocke in dem das Gebäude schmückenden Glockentürmchen wurde sicher frühmorgens, mittags und abends von Hand aus einer darunterliegenden Haus-Etage geläutet und hatte somit auch für die Bauern im Flöha- und Bielatal eine wesentliche Bedeutung. Eine Läute-Ordnung mit der entsprechenden Verpflichtung für Schul- oder Hausmeister ist nicht überliefert. Auch das Läuten der Glocke von Schulkindern gerade zur Mittagszeit ist denkbar.
Solange die Turmuhr am Haus funktionierte, war auch ein Stundenschlag für die Glocke gegeben. Das Uhrwerk wurde allerdings bei Sanierungsarbeiten an Dach und Türmchen in den 1950er Jahren demontiert. Auch zum Aufziehen der Uhr stand keiner mehr zur Verfügung.
Die Schulglocke schweigt nun schon viel zu lange. An die Turmuhr erinnert nur noch das hübsch gestaltete Zifferblatt, das mit der Jahreszahl 1839 auf das Baujahr der Schule verweist. Es sollte unbedingt eine Überlegung wert sein, diese historische Schulglocke auf dem heute als Jugendklub genutztem Gebäude wieder mit einem Stundenschlag ertönen zu lassen. Ihr 175. Jubiläum wäre dafür ein geeigneter Zeitpunkt.
Ein nachahmenswertes Referenzobjekt für dieses Vorhaben hat eine Olbernhauer Fachfirma vor einigen Jahren mit einer elektronischen Steuerung der Schulglocke im nahen Blumenau geschaffen.
Volkmar Beger
Chemnitz–Adelsberg