Vor 130 Jahren – anfangs 1891 – herrschte große Aufregung in unserem Dorf. Der Grund war der geplante Bau eines hölzernen Aussichtsturmes auf dem Saidenberg. Man munkelte, dass seine Einweihung am ersten Pfingstfeiertag erfolgen sollte, aber zum Ärger vieler Dörnthaler auf Obersaidaer Seite. In Dörnthal wurde der Saidenberg seit jeher als eigener Hausberg betrachtet. Dass man nicht selbst auf die Idee gekommen war, dort einen Aussichtsturm zu bauen, wurde im Dorf sehr bedauert. Warb man doch gerade in dieser Zeit um Sommerfrischler für die drei Gasthöfe des Ortes. In den Prospekten wurde dabei immer wieder die schöne Aussicht vom Saidenberg als besondere Attraktion erwähnt. Der Obersaidaer Gastwirt Bruno Zill ließ sich aber offensichtlich von den Anfeindungen und Diskussionen aus dem Nachbarort nicht beeindrucken.
So konnte man in einem „Olbernhauer Generalanzeiger“ des Jahres 1891 folgende Einladung lesen:
„Zur Thurmweihe auf dem Saidenberge.
Am ersten Pfingstfeiertag nachmittags soll die Einweihung des auf dem Saidenberg bei Obersaida erbauten Aussichtsturmes nach festgesetztem Programm stattfinden. Alle Bewohner der umliegenden Orte sowie
alle Freunde unseres Gebirges werden hierzu freundlichst eingeladen.
Obersaida, den 13.5.1891
gez. Bruno Zill (Besitzer des Grundstückes)“
Im weiteren Text wird die Programmfolge genannt:
„2 Uhr Versammlung im Gasthof Obersaida
2.30 Uhr Abmarsch des Festzuges mit dem Musikchor Mittelsaida
3 Uhr Beginn der Feier auf dem Berge
1. Gesang des Weiheliedes vom Mittelsaidaer Gesangverein
2. Gebet
3. Weiherede des Herrn Lehrer Schneider aus Dresden
4. Schlussgesang des Chorals „Nun danket alle Gott“
Danach geselliges Beisammensein. Möchte recht günstiges Wetter dem Festtag und recht zahlreicher Besuch dem wunderschönen Aussichtspunkte beschieden sein!“
Ob es wohl Zufall war, dass genau unter diesem Artikel der Ankerwirt Ernst Herold für den folgenden Pfingstmontag die Gäste aus nah und fern für einen Tanzabend in den Gasthof „Zum Anker“ einlud? Vielleicht auch als Reaktion auf eine verpasste Chance wurde um 1900 von der Gemeinde Dörnthal eine Ansichtskarte in Auftrag gegeben. Auf ihr ist der Aussichtsturm sowie die Räuberschänke mit dem Text „Saidenberg bei Dörnthal im Erzgebirge“ zu sehen. Von dem Turm auf dem 701 m hohen Saidenberg soll man bei klarem Wetter nicht nur die Augustusburg, sondern auch das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig gesehen haben. Leider war diesem Streitobjekt kein langes Leben beschieden. In der Zeit des ersten Weltkrieges musste der hölzerne Turm wegen Baufälligkeit abgerissen werden.
Otto Härtig schreibt dazu in der Chronik von Großhartmannsdorf:
„Einst sollte der Turm durch eine Betonkonstruktion ersetzt werden, aber aus welchen Gründen auch immer, daraus wurde nichts. Heute sieht man nur noch verwitterte Reste dieser einstigen Schönheit. Eine recht seltsame Niederschrift wurde im Jahr 1907 in das dortige Fremdenbuch eingetragen.“
Er führt weiter aus, dass es sich dabei um eine mystische Weissagung zur Zukunft Deutschlands handelte. Sie soll in einer altertümlichen Schrift verfasst und bei einem Umbauversuch des Turmes 1919 gefunden worden sein.
Nur wenigen Einwohnern dürfte bekannt sein, dass im Mittelalter auch am Saidenberg nach Silber geschürft wurde. Insgesamt drei Fundgruben sind auf einem alten Dokument vermerkt. Wahrscheinlich wurden diese Gruben wegen mangelnder Ausbeute wieder versiegelt.
Außerdem gab es am Saidenberg in dieser Zeit einen Vogelherd. Die Einwohner fingen dort Singvögel und steckten sie zu Hause in Käfige. Sie machten Freude und dienten der Unterhaltung, da es zu dieser Zeit keine Radios und Fernseher gab.
Nach der Wende 1989 wurde der Saidenberg als Windvorranggebiet ausgewiesen und nach und nach zu einem Windmühlenstandort ausgebaut.
K. Jablinski, Ortschronist von Dörnthal