Ein Artikel von Hartmut Richter, Amtsblatt der Stadt Olbernhau 21/20, forderte mich regelrecht auf dieses Thema aufzugreifen.

Auch bei uns in Pfaffroda und Schönfeld haben viele Frauen für die „Wachsblume" ihren Lebensunterhalt durch diese Heimarbeit bestritten. Auch meine Oma Rosa hat viele Jahre diese Kunstblumen in Heimarbeit gefertigt. Sie hatte die Aufgabe Mohnblumen und Chrysanthemen zu fertigen. Heimarbeit wurde in ihrer kleinen Küche am Küchentisch gemacht. In dieser Wohnung gab es kein fliesendes Wasser. Wasser holten meine Großeltern aus einem „Wasserhaus" außerhalb des Hauses. Welches sie nach Gebrauch wieder raus tragen und in einem Gully ausschütten mussten.

Für die Heimarbeit hatten alle Frauen einen Handwagen zum Transport ihrer Arbeitsmaterialien umgerüstet. Denn die großen „Blumenkartons" konnte ja keiner tragen. Ein Fahrrad war für das Liefern und Holen der Ware völlig ungeeignet. Meine Großeltern wohnten im Pfaffrodaer Oberdorf, Die Annahme – und Ausgabestelle der „Wachsblume" befand sich in Schönfeld, ein Lagerraum der ehemaligen Bäckerei Rothe, später ein Konsum für Lebensmittel an der Dresdener Straße. Zwei, drei Bretter waren auf einen großen Handwagen befestigt, darauf wurden die Kartons, 80 x 80 cm, zwei nebeneinander und drei Kartons übereinander mit einer Wäscheleine befestigt. So wurde die fertige Ware von den Frauen zum Abliefern gebracht und neues Arbeitsmaterial und leere Kartons wieder mitgenommen. Oft ein Weg von zwei bis drei Kilometer, im Sommer wie im Winter, bei jedem Wetter. Ein oder zwei Tage vor dem Liefern sagte meine Oma manchmal: „Mädel kannst du mir mit helfen".

So habe auch ich viele Blütenblätter mit einen Leimtupfer versehen, damit meine Oma diese zu einer Blume stecken konnte. Opa Oswald wickelte das grüne Krepppapier an die Stiele oder machte den Blütenstand für die Mohnblumen fertig. Auch habe ich oft, wenn meine Oma mit dieser „Karawane" nach Hause lief, den Handwagen mit geschoben. Denn ihr Heimweg ging Bergauf. Oma Rosa hat diese Kunstblumen gern gefertigt, an den Chrysanthemen „gezappelt" bis alle Strahlen saßen und das blasse grün in der Mitte der Blume zum
Vorschein kam. Die Bezeichnung Wachsblume kam daher, weil die gestanzten Blumenblätter leicht gewachst waren.

Nicht nur Maschinen wurden nach der Schließung der Wachsblume nach Sebnitz ausgelagert, sondern auch die vielen Vorlagen zum Ausstanzen der filigranen Blumenblätter. Heimarbeit gab es nach der Schließung des Betriebes immer noch, Oma Rosa nähte noch viele Jahre Puppenkleider für die Bekleidung der Puppen aus Sonneberg.

Aufgeschrieben im Oktober 2020

Ortschronistin M. Waldau