Es war im Jahre 1910, als die Gemeinde Dörnthal das Angebot erhielt, der Überlandzentrale für Elektrizität beizutreten, um die Elektroenergie nach Dörnthal zu bringen. Nach heftiger Diskussion in der Gemeindevertretung war die Mehrheit gegen einen Stromanschluss für Dörnthal. Nur vier Abgeordnete sprachen sich dafür aus, darunter der Gemeindevorstand Herhold. Neben dem üblichen konservativen Argument, es ging doch bisher auch so, warum also Veränderungen, außerdem kostet es Geld, war das Hauptargument der Stromgegner jedoch, die Leitungen in den Häusern würden Blitze anziehen. Es wären also viel mehr Brände als bisher zu befürchten.

Nach diesem niederschmetternden Ergebnis berief der Gemeinderat eine Bürgerversammlung ein, um eine Mehrheit für den Anschluss zu finden. Zu dieser Versammlung wurden jedoch nur Bauern und Hausbesitzer eingeladen, die mit 37 gegen 13 Stimmen die Stromanbindung ablehnten. Da in der Dorfbevölkerung Unmut über die Einladungspraxis geäußert wurde, kam es im Dezember 1910 zu einer weiteren Versammlung. Diesmal waren alle Haushaltsvorstände des Ortes – also nur die Männer – eingeladen. Allerdings erschienen von über 200 nur 39. Die Strombefürworter waren schon im Vorfeld der Versammlung sehr geschwächt, weil ihre stärkste Autorität, Pfarrer Becker, Dörnthal verlassen hatte. Sein Nachfolger Erwin Schneider hatte noch nicht das Ansehen des 22 Jahre lang erfolgreich wirkenden Vorgängers. So wurde das Projekt mit 28 gegen 11 Stimmen auch diesmal abgelehnt. Nun herrschte erst einmal Ruhe in dieser Frage.

Inzwischen konnten sich die Dörnthaler in den benachbarten Orten von den Vorteilen des elektrischen Stromes überzeugen. Auch davon, dass die Blitzeinschläge geringer wurden, da die Überlandleitungen diese anzogen und unschädlich machten. Als am 22. Januar 1914 eine neue Gemeindevertretung wieder einmal über die Elektrifizierung beriet, sprach sich eine große Mehrheit der Abgeordneten plötzlich für den Stromanschluss von Dörnthal aus. Daraufhin wurde einstimmig der Beitritt zum Überlandstromverband beschlossen und Anschlüsse für 261 Lampen und 32 Motoren beantragt. Mit Ausnahme der außerhalb des Ortes liegenden Gebäude wie z. B. die Teichhäuser, erhielten im Laufe des Jahres 1914 einen Stromanschluss. Die Petroleumlampen konnten nun ausgemustert werden. Die etwas außerhalb des Ortes liegenden Gebäude am Muschberg mussten noch bis 1956 darauf warten.

Nicht berührt von der Elektrizität im Ort wurden die Mühlen. Die Wasserräder blieben in Betrieb. Wie eine statistische Erfassung in der Gemeinde für die Amtshauptmannschaft aussagt, gab es 1910 in Dörnthal – außer dem Rad am großen Teich – noch acht Wasserräder. Drei trieben inzwischen Maschinen zur Holzbearbeitung an, in der Schubert-Fabrik im Oberdorf, in der Drechslerei am Rittergut und in der Drechslerei von Gottlieb Neuber in der Nähe vom „Anker“. Die anderen fünf gehörten zu Öl- und Mahlmühlen. Sie wurden betrieben von Ernst Schneider Nr. 47, Gustav Braun Nr. 55, Robert Mende Nr. 79, Heinrich Kaden Nr. 140 und Max Einert Nr. 166. Heute befindet sich mit der Ölmühle von Christl Braun nur noch eine von einst insgesamt 14 Mühlen in Dörnthal. Sie existiert nachweisbar seit 1650 und ist damit eine der ältesten ununterbrochen produzierenden Ölmühlen Deutschlands.

Quelle: „Dörnthal – Geschichte eines erzgebirgischen Bauerndorfes“ von Prof. Fritz Zimmermann

K. Jablinski , Ortschronist von Dörnthal