Spätestens mit der Übergabe der Hufen und der Lehensurkunden mussten die Siedler für ihr Tal einen Namen finden. Sie nannten es – nach unserer heutigen Schreibweise – Dörnthal. Mein Vorgänger als Ortschronist Walter Herrmann hat im Verlauf seiner Forschungen über 20 Schreibvarianten unseres Ortsnamens gefunden. Neben Dörnthal zum Beispiel Dorrenthal, Dorntall, Dürrental, Dirnthal usw. Das darf nicht verwundern, da es vor Luther keine einheitliche deutsche Schriftsprache gab und noch Jahrhunderte später keine Rechtschreibregeln. Jeder Kanzlist oder Erbrichter schrieb den Namen daher so, wie er ihn vernahm und das war mundartlich sehr verschieden.

Schwieriger ist die Frage nach dem Ursprung des Dorfnamens zu beantworten. Die Meinungen gehen darüber seit Jahrzehnten auseinander. Einige Autoren leiten den Namen von „dürr“, dürres Tal, ab. Das ist natürlich
bei dem Wasserreichtum des Tales nicht haltbar.

Im 19. Jahrhundert dominierte bei einigen Heimatforschern die Ansicht, der Ort sei nach der Dorotheen – Kapelle im Niederdorf benannt, hätte also ursprünglich Dorotheenthal geheißen. Abgesehen davon, dass die Kapelle zur heiligen Dorothea erst einige Jahrzehnte nach der Besiedlung erbaut wurde, halten Sprachforscher eine Abschleifung von Dorothea auf Dorn oder Dörn nicht für möglich. Hinzu kommt, dass in katholischen Zeiten die Verkürzung und damit Verstümmelung des Namens einer Heiligen undenkbar war. Schon lange Zeit vor der Reformation ist aber in Urkunden von Dorrenthal oder Dornthal die Rede.

Eine dritte Meinung hält es für möglich, dass der Dorfname nach dem Familiennamen des Locators, der vielleicht Dorn hieß, gewählt wurde. Dem steht entgegen, dass wohl Vornamen relativ häufig für  Ortsbezeichnungen verwendet wurden, an die man ein „tal,“ „dorf“, „feld“ o. ä. anhängte, wie Christian, Claus, Carl, August, Georg usw., aber kaum Nachnamen. Familiennamen wurden erst viel später zur Unterscheidung eingeführt, wenn es mehrere gleiche Vornamen gab. Dann hieß es eben Christian der Richter und Christian der Schmied. Familiennamen wurden auch von Ortsnamen abgeleitet. Das wird besonders bei Edelleuten deutlich: von Schönberg, von Waldenburg, von Nassau usw. Selbst die Markgrafen von Meißen – die Wettiner – hatten ihren Namen vom Stammsitz Wettin bei Halle abgeleitet. Außerdem fand ich im Türkensteuerregister von 1501 unter den 51 Besessenen (Begüterten) in Dörnthal keinen Familiennamen Dorn.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Übertragung des ehemaligen Ortsnamens der Siedler auf den neuen Ort gewesen. Deshalb hat Walter Herrmann die in Franken und Böhmen liegenden Orte mit dem Namen Dörnthal besucht, um in Gesprächen mit Chronisten und aus eigener Anschauung eventuelle Gemeinsamkeiten zu entdecken. Es handelte sich dabei um die sehr kleinen Dörfer Dörnthal bei Kaaden und Dörnthal bei Krima in Böhmen und Dörnthal – Selbitz bei Hof in Franken. Weder die Anlage der drei Dörfer noch die Namen der Einwohner dort hielten dem Vergleich mit unserem Ort stand. Auch war überall eine dünne Besiedlung feststellbar, so dass kein Bauernüberschuss vorhanden gewesen sein kann. Nur die Dornenbüsche wurden als Fazit im Reisebericht von Walter Herrmann als Gemeinsamkeit mit unserem Dörnthal genannt.

Die fünfte Variante wurde im Sächsischen Ortsnamensbuch von Blaschke und auch von Professor Zimmermann, der unsere Ortschronik schrieb, für die wahrscheinlichste gehalten: die Ableitung unseres Ortsnamens von den vielen Dornengewächsen, die die Siedler im Tal vorfanden. Noch im vorigen Jahrhundert waren Feldraine und Waldränder mit einem dichten Gestrüpp von dornigen Sträuchern bewachsen: Hagebutten (Hundsrose), Brombeeren, Schlehen, Weiß- und Rotdorn. In der unkultivierten Landschaft nach 1200 wird das in noch viel größerem Maße der Fall gewesen sein. Um jeden Zweifel auszuschließen, wandte ich mich 2006 mit einem Schreiben zur Ortsnamensklärung an den bekannten Namensforscher Professor Udolph von der Universität Leipzig. Heute ist er im Ruhestand und erklärt in wöchentlichen Rundfunkbeiträgen die Herkunft aller möglichen Namen. Er verwies in seiner Antwort auf die Erklärungen im sächsischen Ortsverzeichnis von Blaschke, wo ebenfalls die Dornengewächse als Namensgeber favorisiert werden. So können wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sich die ersten Siedler von einem dornigen Tal zu ihrem Ortsnamen inspirieren ließen. Ganz nebenbei sei noch bemerkt: Die in der vorreformatorischen Zeit entstandene Holzkassettendecke unserer Wehrkirche ist mit stilisierten Hundsrosenblättern verziert. Vielleicht wollten unsere Vorfahren damit schon einen Hinweis auf den Ursprung des Ortes geben. Diese Tradition wurde durch den Glockenausschuss fortgesetzt, indem er dafür sorgte, dass die neuen Bronzeglocken von 2008 das Motiv der Rosenblätter neben den Inschriften tragen.

Bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der neuen Schule wurde ihr der örtlichen Tradition folgend der schöne Name „Wildrosengrundschule“ verliehen.

In den Anfangsjahren nach der Besiedlung übten die Markgrafen von Meißen selbst die Aufsicht über neu entstandene Dörfer aus. Später vergaben sie diese Gebiete an adlige Grundherren, Burggrafen oder reiche Patrizier als Lehen, diese mussten dafür entsprechende Gegenleistungen bringen. Über die Dorfherren in Dörnthal möchte ich im nächsten Artikel berichten.

K. Jablinski
Ortschronist von Dörnthal