An einer Berglehne zwischen Wasserläufen und alten Verkehrswegen steht das Wirtschaftsgebäude des ehemaligen Rittergutes Dörnthal, das seit 75 Jahren als Tbc-Kurheim, Alten- und Pflegeheim und heute als Heim für Suchtgefährdete und Mehrfachgeschädigte genutzt wird.

Die Entstehung dieses Hauses als Bestandteil der ehemaligen Rittergutsanlage reicht vermutlich in die Besiedlungszeit des Niederdorfes von Dörnthal zurück. Dafür kann ich vier Anhaltspunkte nennen.

  • Erstens bestehen seit langem Verkehrswege nach Pfaffroda. Vom Schloss Pfaffroda aus könnten die Ossegger Mönche und Laien weiteres Land erschlossen und so das befestigte Rittergut errichtet haben.
  • Zweitens findet man für das ehemalige Nötzelgut am Ortsrand zu Haselbach in alten Akten die Bezeichnung „Klostergut“.
  • rittens befand sich auf dem Standort des heutigen Hauses von Familie Ebert die sogenannte Dorotheenkapelle an der obererzgebirgischen Poststraße.
  • Viertens unterscheidet sich das Siedlungsbild des Niederdorfes von den fränkischen Hufen des Oberdorfes. Unbestritten dürfte die Besiedlung des Oberdorfes durch Franken über die alte Salzstraße von Halle nach Prag sein.

Nach der Zerstörung des Rittergutes im Dreißigjährigen Krieg wurde es von 1796 – 1799 in seiner kompletten Form wieder aufgebaut. Beim Wirtschaftsgebäude handelt sich um einen repräsentativen Bau aus 1,20 m dickem Bruchsteinmauerwerk. Das große abgewalmte Mansardendach mit breitem Mittelerker trug bis 1971 eine rote Ziegelbedeckung, die wegen Schadhaftigkeit durch blauen Naturschiefer ersetzt wurde. Die gewaltige Dachkonstruktion ist ein Meisterwerk früherer Zimmermannskunst.

Im ehemaligen Stall des Wirtschaftsgebäudes befindet sich ein weitgespanntes Kreuzgewölbe mit Gurtbögen und zwölf Mittelpfeilern. Es setzt sich bis zum Flur und zur Küche fort. Der umbaute Raum des Gebäudes beträgt 12.540 Kubikmeter. Das entspricht der sechs- bis siebenfachen Größe eines bäuerlichen Wohnstallhauses.

Auf das Rittergut Dörnthal mit einem Areal von 285 ha erhebt nach einem Lehnbrief von 1449 die Familie von Caspar Wighart aus Freiberg Anspruch. Nach 1501 übernimmt die Freiberger Patrizierfamilie Alnpeck die gesamte Anlage und 1581 wird die Adelsfamilie von Schönberg mit der Rittergutsherrschaft und dem Dorf Dörnthal belehnt. Sie konnte ihren Besitz über 300 Jahre bis Kriegsende 1945 bewahren.

Aufgrund veränderter gesellschaftlicher Bedingungen und dörflicher Strukturen – wie der Freikauf der abhängigen Bauern von Frondiensten – konnte in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. im und mit dem Rittergut kaum noch wirtschaftlich produziert werden. Deshalb wurde im Jahre 1888 die landwirtschaftliche Produktion weitgehend eingestellt und die Felder an Kleinbauern verpachtet. Um 1900 kam es zum Abbruch des Herrenhauses und einiger Nebengebäude, so dass nur das ehemalige Wirtschaftsgebäude und die östlich gelegene große Scheune erhalten geblieben sind. Im großen Objekt wurden von der Familie von Schönberg in der Zeit von 1926 bis 1942 extra Zimmer ausgebaut, um Feriengäste aufzunehmen. In den folgenden Kriegsjahren fanden vor allem Verwandte und Bekannte der Familie von Schönberg Zuflucht, die vor dem Hunger und der Angst vor Bombardierung der Großstädte in unser Dorf geflüchtet waren. Meistens waren es Mütter mit kleinen Kindern.

Kurz vor Kriegsende floh die Familie von Schönberg aus der absehbaren sowjetischen Besatzungszone Richtung Westen. Nach 1945 sollten gemäß der Rundverfügung Nr. 34/48 des Amtes für Bodenordnung auch die restlichen Gebäude des Rittergutes Dörnthal abgebrochen werden. Nachdem bereits Arbeitskräfte für die Abbrucharbeiten Quartier im Ort bezogen hatten, gelang es einer Delegation des Dorfes mit Bürgermeister Oskar Thiele, den Vorsitzenden der Ortsbodenkommission Kurt Butter und den Neubauern Gottlieb Drachenberg in mehreren Anläufen beim Landrat von Freiberg, der Landesbodenkommission und der sowjetischen Militäradministration (SMAD) in Dresden den Abriss des altehrwürdigen Gebäudes zu verhindern. Als hauptsächliche Begründung führten sie an, dass es sich nicht um einen Herrensitz, sondern um ein Wirtschaftsgebäude handele.

Nun musste aber auch ein Nutzungskonzept erstellt werden. So erfolgte Anfang der 50-er Jahre die Einrichtung des Rittergutsgebäudes als Tbc-Kurheim unter der Leitung von Anneliese Buchardi. In dieser Zeit standen 40
Betten für die Genesung lungenkranker Patienten zur Verfügung. Durch den Rückgang der Tbc-Erkrankungen in den folgenden Jahren lief die Behandlung in Dörnthal aus. Die wenigen restlichen Patienten kamen nach Reitzenhain.

Nach umfangreichen Umbau- und Renovierungsmaßnahmen erfolgte am 20.06.1964 die Einweihung als Feierabendheim mit 50 Plätzen. Die Leitung wurde gemeinsam mit dem Altenheim in Pfaffroda von Gerhard Schmieder übernommen. Ab 1980 bekam Inge Lietze die Verantwortung für beide Einrichtungen übertragen. Als Petra Kind ab 1985 die Leitung übernahm, wurde das Haus Dörnthal wieder selbständig. Während der folgenden umfangreichen Baumaßnahmen wurden die Bewohner vorübergehend in Olbernhau untergebracht und konnten dann Mitte 1986 ihre inzwischen neu eingerichteten Zimmer wieder beziehen.

Nach der politischen Wende 1989/90 gelang es der Leitung des Hauses trotz stark veränderter gesellschaftlicher
Bedingungen, den Betrieb als Alten- und Pflegeheim aufrecht zu erhalten. Schon bald war aber absehbar, dass die Einrichtung den neuen Richtlinien unter den Bedingungen der Marktwirtschaft mit der geringen Auslastung nicht gerecht werden konnte. Um die Perspektive des Dörnthaler Heimes mit seinen Arbeitsplätzen langfristig zu sichern, bemühte sich die Heimleitung gemeinsam mit der Kreisverwaltung Marienberg um die vorläufig letzte Strukturveränderung im ehrwürdigen Rittergut.

Im Jahre 1995 zog der erste suchtkranke Patient unter 65 Jahren ein. Das bedeutete auch neue, höhere Anforderungen an das Personal. Gleichzeitig lief die Altenbetreuung in den folgenden Jahren aus. Bis zur Gegenwart hat das Konzept der Betreuung von Suchtgefährdeten und Mehrfachgeschädigten funktioniert und die Existenz gesichert. Die letzten Jahre war Beate Aßmann für die Leitung der Einrichtung zuständig.

Zu allen Zeiten wurde vom Gesundheitswesen für die Werthaltung und Modernisierung der Einrichtung viel Geld ausgegeben, in der DDR-Zeit rund 3 Millionen Mark und nach der Wende 1,5 Millionen Euro. Somit ist das Dörnthaler Heim hoffentlich auch für die Zukunft gut gerüstet.

K. Jablinski
Ortschronist von Dörnthal