Trotz modernster Medizin, Geräte und Erkenntnisse gelingt es in Deutschland nicht, die Ansteckungsraten und Todesfälle durch das winzige Corona-Virus zu reduzieren. Es hat ungeahnte Auswirkungen auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Das Jahr 2020 wird als das Pandemiejahr ähnlich wie die Spanische Grippe vor hundert Jahren in die Weltgeschichte eingehen. Das hat mich dazu bewogen, einmal im ehemaligen Gemeindearchiv nachzuforschen, wie sich unsere Vorfahren bei Krankheitsausbrüchen oder Epidemien verhalten haben ohne die modernen Möglichkeiten, die es heute gibt. Das Ergebnis kann ich vorwegnehmen. Sie waren genauso verunsichert oder verängstigt und suchten Schuldige, wie viele Menschen in der Gegenwart. Trotzdem gibt es einen Unterschied: Aktuell macht die Wissenschaft Hoffnung auf einen Impfstoff.
Im Herbst 1885 zog eine Diphtherie-Epidemie durch Dörnthal und forderte das Leben von neun Kindern. Es dauerte nicht lange und die meisten Eltern gaben der Schule die Schuld, da ihre Kinder sich dort angesteckt hätten. Kantor Ernst Bernhard Arnold, der die Kirchschule in Dörnthal leitete, setzte sofort nach Ausbruch der Krankheit den Unterricht aus. Der Lehrer der unteren Schule – Karl Emil Kirschner – schloss sich kurzfristig an. Trotzdem wurden in den folgenden Wochen viele Kinder krank, auch solche, die noch nicht zur Schule gingen.
Die Amtshauptmannschaft Freiberg schickte einen Amtsarzt nach Dörnthal, der die unhaltbaren hygienischen Zustände in den Familien für die Ausbreitung der Krankheit verantwortlich machte. Die erkrankten Kinder wurden nicht von ihren Geschwistern und Nachbarkindern isoliert. Die Zimmer, in denen die Erkrankten lagen, waren oft überheizt. Mit dem Argument, nicht die Straße heizen zu wollen, blieben die Fenster fest verschlossen. Es herrschte eine stickige, schlechte Luft in den Räumen. Die fiebrigen kleinen Patienten erhielten oft zu wenig zu trinken und die Nahrung war nicht dem geschwächten Organismus angepasst.
Der Arzt leitete mit dem Schulvorstand eine Aufklärungskampagne ein, bei der sich besonders der von Frau von Schönberg gegründete Frauenverein „Pfaffroda/ Dörnthal“ auszeichnete. Die Frauen gingen in die Familien mit erkrankten Kindern und halfen an Ort und Stelle, die Anweisungen des Arztes umzusetzen. Es gab aber auch Eltern, die den Helfern keinen Einlass gewährten und auf Gottes Hilfe vertrauten. Egal wer geholfen hat, wichtig war, dass Anfang 1896 die Epidemie in Dörnthal zum Erlöschen kam.
Die heute übliche Grundimmunisierung im Kleinkindalter, die die Diphtherie in Vergessenheit geraten ließ, gab es damals leider noch nicht. Eine noch schlimmere Krankheit mit katastrophalen Auswirkungen grassierte in Dörnthal in den Jahren 1626 und 1680. Es war die Pest, die insgesamt über 100 Einwohner dahinraffte.
Darüber habe ich bereits ausführlich im Amtsblatt von Olbernhau Nr. 08/2018 geschrieben.
K. Jablinski
Ortschronist von Dörnthal