Beim Stöbern in alten Akten fiel mir eine Korrespondenz aus dem Jahr 1922 in die Hände, die mich veranlasste, etwas mehr zu den Poststellen in Dörnthal herauszufinden und vor dem Vergessen zu bewahren. In einem offiziellen Schreiben beschwerte sich der damalige Gemeindevorstand Gustav Morgenstern – ab 1924 wurde diese Funktion in Bürgermeister umbenannt – beim Postamt Sayda über die geplante Schließung der Postagentur Dörnthal (heute Nr. 67 – Traudel Treutler). Das Gemeindeoberhaupt schrieb wörtlich: „Wir weisen zurück, daß der Gemeinde Dörnthal von Sayda aus durch einen Landzusteller von dort die Post zugestellt werden soll. Das wird bei der erwähnten Entfernung wohl kaum möglich sein. Besonders zu beachten ist, daß in der Gemeinde noch ungefähr 80 Rentenempfänger wohnen, die ihre Bezüge pünktlich von der hiesigen Postagentur ausgezahlt bekommen. Aber auch für den jetzigen Postagenten Bellmann würde die Einziehung der Postagentur ein schwerer Schlag sein…

Er ist von Kindheit an lahm und geht an Krücken. Er ist jetzt 59 Jahre alt, verheiratet und wäre jedenfalls nicht in der Lage, wieder einem anderen Beruf nachzugehen. Das Postamt Sayda wird bestätigen können, dass er seine Dienste jederzeit mit größter Treue und Gewissenhaftigkeit ausgeführt hat.

Die Gemeinde Dörnthal, die ohnehin schon durch weite Entfernung von der Eisenbahn in vielen Beziehungen anderen Orten gegenüber benachteiligt ist, würde durch Aufhebung der Postagentur auch noch in postalischer Hinsicht isoliert, obwohl auch sie willens ist, in der Entwicklung nicht rückwärts, sondern vorwärts zu kommen.“

Anfang des Jahres 1923 kam folgende Antwort vom Leiter des Postamtes Sayda: „Die Postagentur in Dörnthal wird mit Rücksicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Postagenten Bellmann vorläufig beibehalten.“

Diese Nachricht war für den Postzusteller Bernhard Bellmann, dem Großvater von Traudel Treutler, sicher sehr erfreulich. In seinem Haus befand sich die Postagentur schon seit 1890. Sie blieb auch nicht nur vorläufig, sondern bis 1945 in diesem Gebäude.

Danach übernahm Elsa Böttcher das Amt als Poststellenleiterin in ihrem Wohnhaus (heute Freiberger Str. 518 – Klaus Böttcher). Gemeinsam mit ihrem Mann Arno führte sie diese Arbeit über einen Zeitraum von 37 Jahren zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Sie ging 1982 in den wohlverdienten Ruhestand. Um die Poststelle im Ort zu behalten, wurden im Auftrag von Bürgermeisterin Pietsch Räume im ehemaligen Armenhaus (heute Nr. 128 – Familie Ihle) zur Postfiliale Dörnthal umfunktioniert. Als Leiterin konnte Steffi Reichel gewonnen werden, Frau H. Eilzer und Frau L. Oehme waren weiterhin als Briefträgerinnen mit dem Fahrrad unterwegs. Diese Poststelle hatte bis Anfang 1994 Bestand. Dann erfolgte nach über hundertjähriger Existenz einer solchen Dienstleistung im Ort ihre endgültige Schließung mit der Begründung mangelnder Effizienz. Mit diesem Totschlagsargument, dass sich etwas nicht rechnet, wurden in den Folgejahren auch Kaufhallen, Sparkassengebäude, Schulen und Gemeindeämter in unseren Erzgebirgsgemeinden liquidiert. Wie sollen die Einwohner auch das Gegenteil beweisen?

Bleibt noch die Beantwortung der Frage, wie die Postsendungen ihren Weg von und nach Dörnthal gefunden haben.

Bis zum Jahr 1925 wurde die Post bis Sayda mit dem Zug transportiert, von dort mit Post- bzw. Pferdekutsche in den Ort gebracht. Eine der letzten Pferdepostkutschen Sachsens steht heute noch im Schloss Pfaffroda.

Nach der Eröffnung der Omnibuslinie Dörnthal – Freiberg transportierten die Busfahrer die Postsäcke von und nach Freiberg. Eine Ausnahme davon gab es im strengen Winter 1946/47. Die harten winterlichen Bedingungen machten dem Dorf enorm zu schaffen. Energie und Treibstoff wurden knapp. Bereits im Oktober musste der Busverkehr ausgesetzt werden. Nun entstand das Problem, wie die Post nach Dörnthal kommen sollte. Sie wurde wieder wie ganz früher mit der Bahn nach Sayda gebracht und musste von dort abgeholt werden. Diese Aufgabe übernahm für einige Monate Otto Auerswald mit seinem kriegsgeschädigten Pferd, bis der Busverkehr im März 1947 wieder aufgenommen werden konnte.

Nach der Kreisreform 1952 wechselte auch das Postverteileramt, für Dörnthal wurde das Postamt Pockau zuständig. In den Folgejahren konnten mehrere Postkraftwagen in Betrieb genommen werden, die auf festen Routen nach festgelegten Zeiten durch den Kreis Marienberg fuhren. Damit transportierte man nicht nur Pakete, Briefe und Karten, sondern es konnten auch bis zu sechs Personen befördert werden. Ich bin selber öfter mitgefahren, um meine Mutter in Pockau zu besuchen. Vermutlich wurde diese Art der Personenbeförderung durch die Post Anfang der achtziger Jahre eingestellt.

Nach der Wende 1989 verloren die meisten um 1900 erbauten großen Postämter wie Pockau und Lengefeld ihre Bedeutung.

Einfache postalische Dienstleistungen integrierte man in bereits bestehende Geschäfte. Durch die Umstellung der Postleitzahlen in den neunziger Jahren erfolgt die Zustellung der Post mit Kleintransportern nicht mehr von Pockau, sondern von Olbernhau aus.

Durch den gesellschaftlichen Wandel hat sich auch die Postleitzahl für Dörnthal mehrmals geändert. In der DDR-Zeit lautete sie 9341, nach einer bundesweiten Neuordnung erhielt Dörnthal 1994 die fünfstellige Zahl 09509 und mit der Bildung der Einheitsgemeinde Pfaffroda die 09526. Ein kleiner Trost für die Dorfbewohner: Als Dörnthal am 01.01.2017 nach Olbernhau eingemeindet wurde, konnten wir wenigstens die Postleitzahl behalten.

Ortschronist Klaus Jablinski